Der Dialog zwischen Kopf und Bauch

Raum für Intuition

Gerade ist wieder so eine stille Zeit. So ein stiller Moment, in dem ich mich selbst deutlicher höre. Es ist ein Dialog da in mir drin. Ein Dialog zwischen Kopf und Bauch.

Ein stiller Moment ist oft der Spalt in der Tür zu unserem Unterbewusstsein. Das ist der Ort an dem all unsere Wünsche und Bedürfnisse, unsere Ängste und Sehnsüchte zu Hause sind. Würden wir sie im Alltag ständig hören, vor allem auch noch alle durcheinander, wäre das ungeübt die totale Überforderung. Hin und wieder mal einzutauchen macht aber sehr viel Sinn, wir kommen mit wertvollen Informationen zurück, die uns helfen für uns richtige Entscheidungen zu treffen.

Üblicherweise sprechen wir von diesen Informationen als einem Bauchgefühl. Um es zu spüren, auch wenn es nicht um bahnbrechende Entscheidungen geht, brauchen wir vor allem eines: Stille im Kopf.

Als Kind hat mich der Gedanke beschäftigt, dass es anscheinend unmöglich ist nicht zu denken. Ich habe versucht mich genau darauf zu konzentrieren: nicht zu denken. Und es ist mir tatsächlich nicht gelungen. Oh Wunder. Denn wo war ich denn, während ich mich so angestrengt habe nicht zu denken? Ich war im Kopf, nicht im Bauch.

Aber wir alle können es alle: nicht denken. Und wir tun das auch. In den besonderen Momenten in denen wir nur fühlen. Und genau dann kommt es schneller wieder als wir wahrnehmen. Das Denken kommt zurück und nimmt dem Fühlen den Raum. Schon der entstehende und ausgesprochene Satz: Ist das schön! Bringt uns aus der Rolle des Erlebenden, aus dem Bauch – in die Rolle des Beobachters, in den Kopf. Noch dazu eines bewertenden Beobachters. Wir distanzieren uns damit von der Welt um uns herum und das hat eine Auswirkung auf unsere Wahrnehmung und über unsere Wahrnehmung hat dieses Distanzieren und das Bewerten eine direkte Auswirkung auf unser Erleben selbst. Eine ganzheitliche Wahrnehmung dessen was ist, der Menschen um uns herum und so auch unseres Partners, wird schwieriger. Wir sind raus aus dem Moment, wie wir es manchmal umgangssprachlich formulieren.

Intuition. Bottom-up Kommunikation vom Bauch zum Kopf.

Und gerade das möchte ich in dieser Zeit vermeiden. Gerade jetzt, in den Raunächten, möchte ich nicht denkend bewerten, sondern intensiver fühlen, eben ganzheitlich Wahrnehmen. In meine eigenen Tiefen absteigen, mich sinken lassen. Und kommen lassen, Eindrücke sammeln, Bilder entstehen lassen, Rufe empfangen.

Ich möchte nicht darüber nachdenken wie 2019 war oder was 2020 sein soll, ich möchte diese Stille Zeit genießen. Und nach diesem intensiven Schöpfen über eine ganzheitliche Wahrnehmung, für deren Komplexität das Wort Fühlen genau besehen viel zu undifferenziert ist, hat auch das Denken wieder seinen Platz. Es erlaubt mir über das Wahrgenommene nachzudenken und es nun ganz bewusst zu bewerten. Für mich bewerten, nicht an sich bewerten.

Silvester. Für manche nur ein ganz normaler Abend, für andere eine ganz besondere Nacht. Eine Nacht des Neuanfangs.

Möchte ich die neuen Wege gehen, die sich da am Horizont abzeichnen? Was wird das für mich bedeuten? Was mit sich bringen? Möchte ich das Risiko einer Veränderung eingehen? Kann und will ich den möglichen Preis zahlen.

Für solche Abwägungen haben wir unseren Verstand. Und nach solchen Abwägungen ist es dann doch wieder der Bauch, der die Entscheidungen trifft. Auch das Bauchgefühl ist übrigens eine solche körperliche Sensation, die uns meist recht verlässlich sagt, was für uns eine gute Entscheidung ist. Vernachlässigen wir diesen Dialog von Kopf und Bauch; verlassen wir uns nur noch auf das Denken, so beeinflusst das eben nicht nur den Denkprozess, es beeinflusst auch unsere Wahrnehmung selbst und damit unser Erleben.

Kreisende Gedanken behindern den Dialog zwischen Kopf und Bauch.

Es bildet sich ein sich selbst verstärkender Prozess, der uns immer selektiver nur noch das wahrnehmen lässt, was unseren Verstand gerade beschäftigt. Anderes kommt sprichwörtlich gar nicht mehr ins Bild. Wenn wir so die Informationsgrundlage unseres Denkens schmälern und sie damit verschlechtern, verlieren wir trotz brillianter Denkleistung an Qualität, was die Resultate dieses Denkprozesses betrifft. Und diese Resultate sind Problemlösungsideen und Entscheidungen. So kommt es, dass wir gerade dann nicht mehr ‚über den Tellerrand hinaus sehen‘ können, wenn etwas für uns besonders wichtig ist. Wir sind dann so konzentriert, dass wir vieles nicht mehr wahrnehmen. Und auch unsere Entscheidungen werden über lange Plus- und Minuslisten nicht unbedingt besser, wenn unsere Wahrnehmung nur einbezogen hat, was wir ‚haben‘ wollten, jenes, auf das wir konzentriert waren. Wie auch in anderen Kontexten in denen Daten ausgewertet werden, gilt dann auch hier: shit in – shit out.

Es gilt also erstmal all unsere Sinne zu nutzen, um möglichst viel von der Welt wahrzunehmen und dann erst dem Denken seinen Raum zu geben und nicht umgekehrt.

Kleine Gewohnheiten. Die Magie einfachen Erfolges.

Und schließlich gibt es im Weiteren dann noch einen nächsten Auftrag für unseren Intellekt und unsere bewusste Willenskraft. Nachdem wir zunächst unsere Wahrnehmung durch ein bewertungsarmes einströmen erweitert haben und dann für uns richtungsweisende Entscheidungen getroffen haben, möchten wir diese ja auch umsetzen und konkrete Ziele erreichen. Das funktioniert am besten über geeignete Gewohnheiten im Alltag. Also über das verlernen ungünstiger Gewohnheiten und das neu lernen günstiger Gewohnheiten. Und für diesen Teil eines erfolgreichen 2020 brauchen wir ganz unbedingt unsere Ratio und unsere Willenskraft. Damit es im nächsten Jahr nicht bei guten Vorsätzen bleibt, sondern wir unsere Ziele wirklich erreichen.

Nachdem ich in den vergangenen Monaten viel darüber geschrieben habe, wie wichtig das Zulassen von Emotionen ist, ist es mir heute ein Anliegen der Stille Raum zu geben und gleichzeitig den Wert des Denkens zu beleuchten.

Nicht nur Kopf und Bauch. Wir sehen nur mit dem Herzen gut.

Denn, so weiß schon der kleine Prinz, man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche erkennen wir sonst nicht. Wobei der kleine Prinz hier sogar noch einen Schritt weiter geht. Von der ganzheitlichen Wahrnehmung, die Kopf und Bauch einschließt, gibt es einen wichtigen Schritt zu einer liebevollen Wahrnehmung und das geht tatsächlich sogar physisch über unser Herz. Dazu schreibe ich dann vielleicht im nächsten Beitrag zum Valentinstag. Jedenfalls ermöglicht es uns dann wieder unser Verstand auf Basis einer mindestens ganzheitlichen, besser noch liebevollen Wahrnehmung einen als ausreichend sicher bewerteten und erfolgversprechendem Weg einzuschlagen. Und in Folge kluge Maßnahmen zu planen, die uns an unser Ziel führen. Eine ganzheitliche Wahrnehmung und unser Verstand garantieren so nur zusammen ein Leben in Fülle und Sicherheit. Wir brauchen also wirklich beides.

Falls Sie zum Thema der Wahrnehmung, die übrigens eine Gewohnheit ist, gern mehr Lesen möchten und englische Lektüre kein Ausschlusskriterium ist, empfehlen wir folgendes wissenschaftlich fundierte und angenehm lesbare Buch: The Master and His Emissary, The Divided Brain and the Making of the Western World. Es gibt dazu auch eine Kurzversion vom selben Autor: Ways of Attending. How our Divided Brain Constructs the World sowie einen Trailer und Film auf Vimeo: https://vimeo.com/ondemand/thedividedbrain/182433899?autoplay=1

Literatur

Und damit unser Verstand so richtig effektiv arbeiten kann, hier noch eine weitere Literaturempfehlung in diesem Newsletter: https://jamesclear.com/atomic-habits

James Clear erklärt sehr anschaulich wie wir uns ganz bewusst wirksame Routinen aneignen können und hinderliche Routinen verlernen können, um langfristig Dinge zu erreichen, die wir zu Beginn für fast unmöglich halten.

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