Gute Grenzen setzen

Wie aus einem nein, ein ja zu dir wird.

Nein sagen mit einer schönen Grenze

Vielleicht ist dir das auch schon mal passiert: Du sagst Ja zu etwas und eigentlich meinst du Nein. Du traust dich aber nicht, dieses innere Nein laut werden zu lassen.

Das ist aber gar nicht schlimm. Das passiert vielen Menschen immer wieder. Nein sagen ist schwer, dabei kann es ganz leicht sein. Die gute Nachricht: es ist lernbar und du kannst dabei authentisch bleiben.

Gute Grenzen erleichtern das Leben.
Sie fördern Distanz und Respekt und lassen dennoch Nähe zu.

Konrad Paul Liessmann, Philosoph in Brand eins

Stell dir vor, du hättest einen Vorgarten vor deinem Haus, in den du mit Liebe schöne Blumen pflanzt. Und du hättest keinen Zaun davor.

Der Vorgarten liegt auch noch so, dass es für andere Menschen viel einfacher ist durchzulaufen als außen herumzugehen. Dein Vorgarten ist sozusagen eine Abkürzung und Durchlaufen ist überaus praktisch.

Was machst du jetzt? Ziehst du eine hohe Mauer mit Stacheldraht oben drauf, weil du dich schon so lange über die Menschen geärgert hast, die einfach durchlaufen? Machst du nichts und wirst immer enttäuschter und trauriger, weil alle Blumen immer wieder zertreten werden? Verlierst du irgendwann die Fassung, schreist jemanden an und bist dann über dich selbst erschrocken?

Oder entscheidest du dich vielleicht dafür, einen hübschen weißen Gartenzaun zu bauen, um so allen Menschen deutlich zu zeigen, dass dein Vorgarten kein öffentlicher Weg ist?

Wie du deinen ganz persönlichen Gartenzaun bauen kannst, darum geht es hier.

I.              Warum ist es so schwer, Nein zu sagen?

Du bist nicht allein. Viele Menschen sagen zu vielen Dingen Ja, auch wenn sie Nein meinen.

Das liegt in erster Linie daran, dass wir eine negative Reaktion unseres Gegenübers auf das Nein oder auch irgendeine andere Grenze fürchten. Schließlich ist jede negative Reaktion des anderen – sofern uns der andere wichtig ist – unangenehm für uns selbst. Je näher uns der andere steht, umso unangenehmer wird es. Wenn es sich um unseren Lebenspartner handelt, kann das richtig wehtun.

Wie also kann ich deutlich sagen, was ich brauche und wie ich behandelt werden möchte, und mir dabei gleichzeitig die Sympathie des anderen erhalten? Wie kann ich vielleicht als Bonus sogar noch eine Extraportion Respekt ernten? Das geht, indem wir gute Grenzen ziehen.

Niemand nimmt einfach immer nur hin, wenn Grenzen permanent überschritten werden. Eher sammeln wir Rabattmarken und entwickeln Ressentiments.

Und wenn die dann zusammen mit dem Vorwurf, dass da jemand seit Jahren durch unseren Garten läuft, auf den Tisch kommen, ist unser Gegenüber oft sehr überrascht. Er oder sie fühlt sich von unseren Emotionen überrollt, vor den Kopf gestoßen und ungerecht behandelt.

Grenzen, die wir nicht als solche markieren, werden von anderen selten erkannt. Andere kennen unsere Grenzen dann nicht. Sich darauf zu berufen, dass das doch selbstverständlich ist, führt eher in eine gedankliche Falle. Und die sieht so aus:

Würden alle anderen auch einen schönen Vorgarten ohne Zaun anlegen, dann wäre jedem klar: „Hey, das ist ein Vorgarten und da läuft man nicht durch.“ Diese Gedanken sind aber nicht selbstverständlich. Manche Menschen machen sich keine Gedanken, ob sie irgendwo entlanglaufen dürfen, wenn da kein Zeichen ist, dass sie das nicht dürfen oder nicht sollen. Das muss man nicht mögen, es ist einfach so.

Eine Grenze, die du für selbstverständlich hältst, ist also nicht automatisch als solche für andere zu erkennen.

Wenn sich jemand dann nicht an deine Grenzen hält, die du zwar nicht benannt hast, aber für selbstverständlich hältst, bleibt dir nur anzunehmen, dass der andere so unaufmerksam ist, weil er dich nicht respektiert, oder dass der andere die Grenzüberschreitung sogar absichtlich begeht, um dich zu verletzen.

Jetzt kommt zu der Grenzüberschreitung noch die Vermutung dazu, dass der andere dich nicht achtet oder – im Falle einer Paarbeziehung – dich weniger liebt. Vielleicht unterstellst du im wiederholten Fall sogar Vorsatz.

Falls du gedanklich diesen Weg gehst, bist du nachvollziehbar verletzt. Als Reaktion gehst du entweder in Verteidigung oder du ziehst dich zurück. Nun bist du in einem kalten oder heißen Konflikt angekommen. Der Unterschied zwischen den beiden ist nur, ob ihr euch anschweigt (kalter Konflikt) oder anschreit (heißer Konflikt). Beides führt zu einem hohen Stresslevel und geht auf Dauer auf die Gesundheit. Und das vielleicht nur, weil für den anderen andere Grenzen selbstverständlich sind.

II.            Gute Grenzen verbinden. Wie Nein sagen die Beziehung stärkt.

Vielleicht ist es erst einmal leichter für dich, keine Grenzen zu ziehen und deine Bedürfnisse hintenan zu stellen.

Wenn du dich aber entscheidest, dich in Zukunft in angemessener Weise selbst zu vertreten, dann ist es Zeit, gute Grenzen zu setzen.

 

Richtig nein sagen ist gut für die Beziehung

Gute Grenzen zeichnen sich nicht nur dadurch aus, dass man sich abgrenzen kann, sondern auch dadurch, dass man in einer Form nein sagen kann, die für andere zwar deutlich, aber gleichzeitig annehmbar und verträglich ist.

Auch zu harte Grenzen haben für uns und andere Nachteile. Ein zu hartes Nein stößt deinen Gesprächspartner vielleicht so vor den Kopf, dass dir diese Person in Zukunft aus dem Weg geht und die Beziehung leidet. Wahrscheinlich verliert der andere jedenfalls die Lust nachzufragen, warum du nein sagst und was du dir statt dessen wünscht. Wer so Selbstsicher wirkt, würde seine Wünsche bestimmt von selbst äußern, so die Annahme des Anderen. Ein hartes nein führt deshalb oft zu Traurigkeit, Einsamkeit und Frustration statt zur Freude erfolgreich die eigenen Grenzen gewahrt zu haben.

Was auch nichts bringt, um die eigenen Wünsche und Bedürfnisse durchzusetzen, ist ständiges Anmahnen und lamentierendes Wiederholen. Menschen die so auftreten, haben regelmäßig gute Gründe für ihre Beschwerden. Obwohl das also meist nicht fair ist, werden sie nach meiner Beobachtung mit dieser Strategie nicht ernst genommen. Der andere beginnt sie zu überhören.

Dürfen wir beim Streiten also nicht emotional werden? Doch, das sollten wir sogar. Authentizität hat immer einen wichtigen Platz in guten Beziehungen. Wie viel Emotionalität angemessen ist, entscheidet die Art von Beziehung, in der du mit deinem Gegenüber stehst. In beruflichen Beziehungen ist es sinnvoll, mehr Haltung zu wahren. In unserer Beziehung zum Partner dürfen wir uns durchaus auch emotional zeigen. Solange wir bei dem bleiben, was jetzt ist – und nicht aus alten Geschichten argumentieren – und unser körperlicher Ausdruck unsere Sprache unterstreicht, werden wir von unserem Partner klarer gesehen. Daraus entsteht oft sogar eine tiefere Intimität.

III.          Dein erster Schritt zu guten Grenzen.
Weißt Du noch, was du willst oder willst du schon, was du brauchst?

Zunächst ist es wichtig, dass du dir sehr klar darüber wirst, was du in einer bestimmten Beziehung für dich brauchst. Im Beruf könnte das sein, dass du möchtest, dass dein Chef deine Meinung anhört, bevor er etwas in deinem Arbeitsbereich entscheidet. Möchtest du deinen Einfluss erweitern oder schlicht um deine Meinung gefragt werden? Vielleicht möchtest du auch in deiner Kompetenz gesehen und gehört werden.

Im privaten Bereich kann es sein, dass du erreichen willst, dass dein Partner deine Bitte, dich im Haushalt von sich aus mehr zu unterstützen, endlich ernst nimmt. Möglicherweise möchtest du wirklich mehr Aktion von ihm sehen. Oder aber, dir ist es wichtiger, dass dein Beitrag in eurer Familie endlich richtig gesehen wird. Und schließlich kann es auch sein, dass es dir eher um die einseitige Belastung geht, immer an alles denken zu müssen. Dann möchtest du vielleicht, dass dein Partner mehr Verantwortung dafür übernimmt, dass ihr ein schönes Zuhause habt.

Der Ausgangspunkt deiner Strategie statt nein zu sagen, gute Grenzen zu setzen, ist also:

 

Was du brauchst.

(statt, was du willst)

Das ist ein Unterschied, den wir oft übersehen. Frag dich also erst einmal ganz in Ruhe, was du brauchst, damit es dir in der Beziehung mit deinem Gegenüber rundum gut geht.

Nein sagen zu können und die eigenen Grenzen zu kommunizieren, ist ein Thema, das in privaten und beruflichen Beziehungen eine wichtige Rolle spielt. Um es konkreter zu machen, konzentrieren wir uns im Folgenden auf die Beziehungen zu einem Lebenspartner.

Nein sagen ist ein ja zu dir. Sag, was dir wichtig ist.

Klare Grenzen machen den Umgang miteinander in allen Beziehungen viel einfacher. Wir entlasten den anderen von unserer Erwartung, unsere Bedürfnisse selbst herauszufinden. Wenn wir unsere Grenzen deutlich machen, tun wir dem anderen einen Gefallen. Wir erwarten dann nicht mehr, dass er errät, was uns wichtig ist.

Und hier liegt schon der erste Fallstrick. Manchmal wollen wir, dass der andere von selbst darauf kommt, was uns wichtig ist. Ganz besonders dann, wenn es unser Partner ist. Wir werten das als Zeichen, dass wir dem anderen etwas bedeuten. Diese Rechnung geht allerdings selten auf, und … auf Dauer auch nicht gut.

Mal angenommen, du hast schon mal gesagt, was dir wichtig ist. Wäre es dann nicht geradezu genial, wenn sich der andere regelmäßig daran erinnert und dir deine Wünsche ungefragt erfüllt? Du merkst es vielleicht schon: Jetzt sind wir endgültig im Märchenland.

Wir stehen heute alle unter Strom. Bewusst ständig daran zu denken, was unser Partner bzw. unsere Partnerin braucht, ist schlichte Überforderung. Das klappt nur in Einzelfällen oder wenn wir ein bestimmtes Bedürfnis unseres Partners verinnerlicht haben und somit das „Darandenken“ eine liebe Gewohnheit geworden ist.

Tatsache ist: Unaufmerksamkeit ist menschlich.

IV.         Rein in die Praxis: Drei Strategien für gute Grenzen

  1. Wie du gut ankommst und gehört wirst.
  2. Mein Tanzbereich, dein Tanzbereich. Weiche Grenzen, die verbinden.
  3. Dein Sicherheitsabstand: Ungesunde Beziehungen verändern.

1. Wie du gut ankommst und gehört wirst.

A. Lerne von der Werbung: sag es öfter und so, dass die Botschaft ankommt.


Verabschiede dich von der Idealvorstellung, dass andere automatisch daran denken, was dir wichtig ist.

Wenn wir so rational als Menschen wären, wie wir oft selbst von uns denken, könnte der Artikel hier zu Ende sein. Ist aber nicht. Das Thema ist auf der rationalen Ebene nicht ausreichend zu fassen. Deshalb tauchen wir noch ein wenig tiefer ein.

Wir lernen über Belohnung deutlich besser als über Bestrafung. Alle Formen der Abwertung oder Missachtung wirken wie eine echte Bestrafung. Die kalte Schulter oder das Anschweigen schmerzt. Die Botschaft, beim nächsten Mal bitteschön besser aufzupassen wirkt auch nicht motivierend. Im Gegenteil: Sie entmutigt und entzieht uns Kraft.

B. Konzentriere dich darauf, den anderen dabei zu erwischen, wenn er an deine Bedürfnisse denkt und schenk ihm ein Lächeln.

So weit, so gut. Was aber, wenn du jetzt denkst: „Ich habe das aber schon x-mal gesagt. Es nützt nichts! Ich bin es leid!!“ Yup, zwei Ausrufezeichen. Du merkst schon, ab hier wird es emotional.

C. Drei Gründe warum du nicht gehört wirst

Du hast also schon x-mal gesagt, was du willst und zwar sehr deutlich. Der andere überhört es aber trotzdem. Wenn das passiert, hat das einen von drei Gründen:

Besser rüberkommen: Zentriere dich

Der andere nimmt deinen Wunsch nicht wahr, weil deine Körperhaltung und Stimme nicht mit der Priorität deines Wunsches übereinstimmt. Wir reagieren tatsächlich viel mehr auf die Ausstrahlung und den Ton anderer Menschen als auf deren Worte. Es macht keinen Sinn, sich darüber aufzuregen. Wir können es für uns nutzen.

Der Ton macht die Musik

Warte für wichtige Botschaften eine Zeit ab, in der du davon ausgehst, dass du die volle Aufmerksamkeit deines Gegenübers hast. Wähle einen Moment, in dem du ruhig bist – also üblicherweise nicht, wenn die Situation gerade eskaliert. Stell deine Füße fühlbar auf den Boden. Sitze oder stehe gerade und aufrecht. Achte darauf, dass du die Schultern nicht nach oben ziehst.

Bau eine emotionale Brücke

Atme tief in den Bauch und richte deinen Blick auf dein Gegenüber. Behalte gleichzeitig den Kontakt deiner Füße zum Boden. Richtig, du sollst beides gleichzeitig wahrnehmen. Den Kontakt deiner Füße auf dem Boden und den Augenkontakt zu deinem Gegenüber. Dieser mentale Zustand heißt bipolare Aufmerksamkeit. Du bist gleichzeitig fest verankert und mit einem Teil deiner Aufmerksamkeit offen und neugierig bei deinem Gegenüber.

Das ist viel schwieriger, als es sich anhört. Übe das ruhig ein paarmal, bevor du das nächste Mal ein dir wichtiges Thema ansprichst.

2. Mein Tanzbereich, dein Tanzbereich. Grenzen, die verbinden.

A. Der Machtkampf: Ich werde gewinnen.

Manchmal gibt es das. Der andere interessiert sich viel mehr dafür, was er selbst davon hat, deinem Wunsch nicht nachzukommen, als dafür, dir deinen Wunsch zu erfüllen. Wenn das passiert, bist du in einem unterschwelligen oder offenen Machtkampf.

Ihr habt unterschiedliche Interessen und wenn das nicht ausgesprochen wird, macht es den Graben zwischen euch nur noch breiter. Wie bei zwei Erdplatten, die langsam auseinanderdriften. Das Brückenbauen fällt dann zunehmend schwerer.

Oft tritt so ein Verhalten auf, wenn man sich gegenseitig im Recht fühlt oder man das Gefühl hat, der andere hätte einen immer wieder übervorteilt oder unfair behandelt. Dieses Wie-du-mir-so-ich-dir-Verhalten verhärtet die Fronten und beschädigt das Fundament der Beziehung. Ein beherztes und offenes Gespräch kann gegenseitiges Verständnis erneuern und langsam neues Vertrauen entstehen lassen.

Oft ist es aber in langen Beziehungen nicht so einfach möglich, den Teufelskreis gegenseitiger Anschuldigungen zu durchbrechen. Zu einfach gerät man immer wieder in destruktiven Streit. Eine neutrale dritte Person kann als Konfliktmediator in diesem Fall sehr hilfreich sein. Wenn das keine Option ist, kannst du es auch mit einem Zwiegespräch versuchen. Das Zwiegespräch ist ein sehr bewährtes Instrument in der Paarberatung und du findest im Netz dazu viele gute Anleitungen https://www.kuechenkraenzchen.de/kommunikation-zu-zweit-das-zwiegespraech/

Eine andere Möglichkeit ist, dass du oder dein Partner eure gegensätzlichen Interessen nicht offenlegen wollen. Meist steckt die Befürchtung einer starken emotionalen Reaktion des anderen hinter dem intransparenten Verhalten. Wir haben oft Angst vor abfälligen Bemerkungen oder anderen Konsequenzen, wenn wir unsere Interessen oder Befürchtungen offenlegen. Lieber nicht so verletzlich machen, lautet die meist unbewusste Entscheidung.

Sich in dieser Weise voreinander zu schützen kann sich wie ein Machtkampf anfühlen. Es ist auch einer. Es geht darum, dass der andere zuerst seine Deckung herunternimmt, sich zuerst verletzlich zeigt und damit auch das größere Risiko trägt, tatsächlich verletzt zu werden.

Hier hilft nur ein sehr behutsames Vorgehen. Ein echtes Interesse daran, warum der andere sich emotional nicht mehr öffnet und viele, zunächst eher kurze, nicht zu intensive aber echte und ehrliche Gespräch, können eine Wiederannäherung in kleinen, für beide Seiten sicheren Schritten bewirken.

 

B. Unterstelle die gute Absicht. Selbst dann, wenn es sich nicht danach anfühlt.

Wenn das Reden selbst der Anlass für mehr Streit ist, kann es eine gute Idee sein, zuerst wieder mehr schöne Erlebnisse miteinander zu planen. Über das Erleben und die geteilte Freude kommt man sich auch emotional wieder näher. Aus gegeneinander oder übereinander reden wird dann schließlich wieder miteinander reden. Das schafft völlig neue Möglichkeiten.

3. Dein Sicherheitsabstand

A. Nicht lustig: „Das ist „lustig“

Es gibt noch eine andere Möglichkeit. Es kommt vor, dass der andere sich freut, wenn du dich ärgerst. Gerade in Beziehungen, in denen man sich schon reichlich gegenseitig verletzt hat, kann das ein sehr destruktives Muster werden. Hier ist eindeutig ein Stopp-Signal angebracht.

Ein solches Muster ist, ähnlich wie Mobbing, sehr ungesund für Körper und Geist. Erste Anzeichen, dass sich so ein emotionaler Dauerstress auch körperlich auswirkt, sind Schlaflosigkeit, Herzrasen, Beklemmungsgefühle, Hautreaktionen und eigentlich alles, was man unter stressbedingten psychosomatischen Krankheitsbildern kennt. Beziehungen, die sich so destruktiv entwickeln, leiden meist an den Folgen alter, negativer Beziehungserfahrungen eines oder beider Partner.

Solche ungesunden Beziehungen gibt es öfter, als man denkt. Und dennoch sind sie im Vergleich zu anderen Beziehungskonflikten selten.

 

Vergrößere den emotionalen Abstand in einer Beziehung, wenn du in der Gegenwart des anderen ständig angespannt bist.

Häufiger handelt es sich in diesem dritten Fall um kleine Racheaktionen. Das passiert

insbesondere Menschen, die Freude an Konkurrenz und Wettkampf haben. In geringer Dosis ist das eine gute Zutat für Beziehungen, schließlich erzeugt Reibung auch eine Art von Wärme, sogar in Liebesbeziehungen. Wohl dosiert erzeugt diese Rangelreibung eine positive Spannung und gegenseitige Attraktion. Zu viel Wettkampf und Konkurrenz wirkt jedoch in jeder Beziehung destruktiv und beschädigt das gemeinsame, vertrauensvolle Fundament.

Wenn unsere Bedürfnisse nicht wahrgenommen werden, empfinden wir das als verletzend. Und wenn wir uns verletzt fühlen, bewerten wir das Verhalten unseres Gegenübers kritischer. Wir unterstellen bei erneuter Missachtung unserer Bedürfnisse bald grobe Fahrlässigkeit oder sogar Absicht bzw. die hier beschriebenen Racheakte, statt einfach nur von Unaufmerksamkeit auszugehen.

Die häufigste Ursache für das Ignorieren unserer Wünsche, Bedürfnisse und Grenzen durch andere ist jedoch, dass wir nicht in die Aufmerksamkeit des anderen vorgedrungen sind. Schuldzuweisungen oder Vorwürfe sich selbst gegenüber helfen nicht. Besser ist es, die eigene Stimmlage und Haltung (innen und außen) zu verändern und so dafür zu sorgen, dass die Botschaft sicher ankommt.

V.           Nein sagen trotz vieler Emotionen: So vermeidest du, dass die Situation eskaliert

 

Unter erschwerten Bedingungen: Wenn es emotional wird

 

Der folgende Abschnitt ist für dich nur von Interesse, wenn du dich fragst, wie du mit starken Emotionen besser umgehen kannst.

Was ist, wenn ganz viel Emotion in dem Thema steckt?

Vielleicht hast du dich schon lange über etwas sehr geärgert oder vielleicht geht es um etwas sehr Privates, bei dem du dich verletzlich fühlst.

Ablehnung in intimen Beziehungen ist besonders schmerzhaft. Und als fühlende Wesen möchten wir Schmerz grundsätzlich vermeiden. Was also sollten wir in engen Beziehungen zusätzlich tun?

Kenne deine Trigger
Bleib im Hier und Jetzt

Bei emotional aufgeladenen Themen braucht es vor der Kommunikation deiner Grenzen einen Selbstcheck. Du findest so vorher heraus, ob ein bestimmtes Verhalten deines Gegenübers dich an einer Stelle trifft, an der deine Haut ohnehin besonders dünn ist.

Sobald du das für dich überprüft hast und gesetzt dem Fall, du entdeckst an dir eine besonders sensible Stelle, einen wunden Punkt, ist Vorsicht geboten.

Frage dich, ob du auf die aktuelle Situation reagieren oder ob dein Gehirn, anlässlich des verletzenden Verhaltens, einen ganzen Güterzug unangenehmer alter Erfahrungen anliefert. Die können sogar ohne bildliche Erinnerungen, also einfach nur als starke negative Gefühle auftreten. Wenn das so ist, bist du vielleicht in erhöhter Alarmbereitschaft, in blanker Wut oder sogar wie eingefroren.

Nicht nur wegen dem, was sich gerade hier und jetzt abspielt, sondern wegen dem, was irgendwann früher passiert ist und dir noch in den Knochen sitzt.

Um uns selbst zu regulieren, sind wir gut beraten, einen solchen Reality-Check durchzuführen. Was sagt oder tut mein Gegenüber in diesem Moment wirklich und welche Intention steht vermutlich dahinter? Sei hier großherzig und frag dich das insbesonders bei einem Menschen, der dich leicht auf die Palme bringt.

Es ist nicht immer einfach, auf Intentionen zu schließen. Da wir das aber ohnehin tun, ist es wichtig, Annahmen bewusst zu machen und sie fair zu überprüfen.

Die Kunst ist es, eine spontane, authentische Reaktion von einer unbewussten, automatisch generierten Story in der eigenen Vorstellungskraft zu unterscheiden.

Achte darauf, ob du noch in Beziehung zu deinem Gegenüber bist oder ob du dich in einer Fantasie befindest, was noch alles passieren kann oder in der Vergangenheit passiert ist. Vergangenheit und Zukunft sind die Bühne für Inszenierungen. Deine Fantasie inszeniert ein Stück, was war oder sein könnte und du erlebst die dazugehörigen Emotionen im Hier und Jetzt. Das ist ein Problem.

Denn dein Gegenüber ist entweder im eigenen, leicht abweichenden Film oder aber im Hier und Jetzt. In beiden Fällen erscheint deine emotionale Reaktion unverständlich, denn im Hier und Jetzt passiert doch nichts, was die Stärke der Emotion rechtfertigen würde.

Gute Grenzen setzt du mit Ruhe, Standfestigkeit und großer Klarheit in Gedanken und Worten. Ein gutes Timing tut sein Übriges.

Was machst du also mit all den Emotionen und der Energie, die in einem bestimmten Thema steckt und die sich jetzt Bahn brechen könnten? Hier sind zwei Szenarien zu unterscheiden – im ersten kannst du dich vorbereiten, im zweiten nicht.

Situation 1: Du sprichst das Thema an.

Die Angst vor zu viel Emotionen in einer Botschaft ist nach meiner Erfahrung der zweithäufigste Grund, weshalb Menschen nicht sagen, was sie wirklich brauchen. Neben einer möglichen Ablehnung durch den anderen wegen des Themas an sich, könnten wir uns auch eine Ablehnung einhandeln, weil wir zu emotional werden. Vielleicht könnten wir sogar die Fassung verlieren, wenn wir ein heikles Thema ansprechen.

Stell dir vor, du würdest vor einem Kollegen oder Chef anfangen zu weinen oder aber gegenüber deinem Partner einen extremen Wutanfall bekommen. Was machst du mit soviel Emotionen, vor denen du dich vielleicht sogar selber fürchtest?

Hier helfen ein paar simple Körperübungen. Es ist möglich, durch eine veränderte Körperhaltung das autonome Nervensystem gezielt zu beruhigen. Unser Körper reagiert darauf in Sekundenschnelle mit einer größeren inneren Ruhe.

Reguliere dein Anspannungsniveau

Denk zur Übung jetzt mal an ein emotional sehr aufgeladenes Thema. Wenn du traumatische Erfahrungen gemacht hast, sei hier bitte vorsichtig. Nimm eine Situation, die zwar schwierig, aber nicht bedrohlich ist. Überforderung hilft nie. Sei gut mit dir.

Hast Du es?! Denk dich in die Situation herein, sodass du schon körperliche Anzeichen von Spannung fühlst. Meist wird es irgendwo im Körper eng oder wir werden sehr nervös und unruhig. Mehr sollte es auch nicht werden. Halte das kurz aus.

Schätze nun deine innere Anspannung bitte auf einer Skala von 1 = entspannt bis 10 = sehr angespannt ein.

Jetzt beginnen wir mit der Körperübung: Setz dich bitte gerade hin. Stelle die Füße deutlich auf die Erde, spüre deine Fußsohlen und – falls du sitzt – spüre die Oberfläche des Stuhles mit deinen Sitzbeinhöckern. Spüre genau hin. Bist du dort? Versuche, die Erde und die Stuhloberfläche möglichst deutlich wahrzunehmen. Klappt‘s? Bleibe eine Weile dort, etwa zwei bis drei Minuten.

Prima, fertig. Jetzt frage dich noch einmal auf der Skala von 1 bis 10, wie du dich fühlst.

In Fällen, in denen du den Zeitpunkt für eine schwierige Botschaft selbst wählen kannst, kannst du dich über eine solche Übung vorher mental beruhigen. Du wirst in dem folgenden Gespräch deutlicher ruhiger wirken als ohne die Vorbereitung.

Situation 2: Jemand überschreitet unerwartet deine Grenze

Aber was machst du, wenn jemand unerwartet eine deiner Grenzen übertritt. Jetzt bist du aufgefordert, spontan deutlich zu machen, dass das so nicht geht und du mit dem Verhalten nicht einverstanden bist. Auch hier hilft es, wenn du dich nach dem ersten Schock kurz zentrierst und am Boden verankerst. Gönn dir diese wenigen Sekunden, bevor du reagierst.

Nach diesem kurzen Check-in mit dir selbst kannst du entscheiden, ob du jetzt sofort reagieren möchtest oder ob es günstiger ist, deinen Standpunkt in einem späteren, ruhigeren oder privateren Moment zu vertreten. Was günstiger ist, kommt auf die konkrete Situation an.

Mach den Reality-Check

Falls du spontan reagieren möchtest, ist es jetzt wichtig, dass du kurz überprüfst, ob das Verhalten deines Gegenübers einen besonders wunden Punkt bei dir trifft. Das ist deshalb wichtig, weil wir an diesen Stellen oft so empfindlich sind, dass wir möglicherweise zu stark reagieren. Das wiederum kann dazu führen, dass der andere sich ungerecht behandelt fühlt, sich die Fronten verhärten und die Situation weiter eskaliert.

Das ist selten hilfreich, passiert jedoch insbesondere in Paarbeziehungen regelmäßig. Je näher uns ein anderer Mensch steht, desto stärker treffen uns dessen emotionale Reaktionen, angenehme und eben auch unangenehme. Aus diesem Grund kann uns niemand so triggern wie unser eigener Partner, die eigene Mutter, der eigene Vater und die eigenen Kinder. Eben all die Menschen, die uns wirklich wichtig sind.

VI.         Welche Grenze willst du heute setzen?

 

Viele Menschen, insbesondere Frauen, haben eine angelernte Hemmung, Grenzen zu setzen. Dabei sind Grenzen zu setzen und Nein zu sagen so wichtig – für dich und andere.

Erwarte also nicht, dass die Menschen trotz eines nicht vorhandenen Gartenzauns einen Bogen um deinen Vorgarten machen. Spätestens wenn es jemand eilig hat, also gestresst ist, wird es doch passieren.

Apropos Gartenzaun. Stell dir noch einmal in bunten Bildern deinen Garten vor. Hast du das Bild?

Vielleicht hast du jetzt Lust bekommen zu überlegen, wie dein Gartenzaun in einem deiner relevanten Lebensbereiche aussehen könnte.

Wie sieht er aus, dein persönlicher Gartenzaun?

Mal ihn oder beschreibe ihn. Du kannst auch schon ganz konkret werden. Gib ihm Form und Farbe in Wort und Bild.

https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2013/grenzen/ohne-grenzen-koennten-wir-nicht-leben#:~:text=Gute%20Grenzen%20erleichtern%20das%20Leben,es%20notwendig%20und%20sinnvoll%20ist.